Chemische Desinfektion zur Bekämpfung von Legionellen
Legionellen sind stäbchenförmige Bakterien, die natürlicherweise auch in Oberflächenwasser, z. B. einem Badesee, vorkommen können. Vermehren sich Legionellen massenhaft, z. B. in Warmwasserleitungen, Pools, Kühlkreisläufen, Verdunstungskühlanlagen oder Klimaanlagen, entsteht nicht selten eine signifikante Gesundheitsgefahr. Wird kontaminiertes Wasser zerstäubt und eingeatmet, kann es zu schwerwiegenden Erkrankungen kommen. Insbesondere die Legionärskrankheit ist hier von Bedeutung.
Gemäß Trinkwasserverordnung (TrinkwV) oder auch der 42. BImSchV gelten enge Grenzwerte, die vom Anlagenbetreiber einzuhalten sind. Es bestehen hier signifikante Haftungsrisiken. Die chemische Desinfektion zur Bekämpfung von Legionellen in Wassersystemen ist, neben technischen Maßnahmen, eine sehr effektive Methode, um die Bakterien gezielt und nachhaltig zu bekämpfen – sowohl präventiv als auch im Akutfall.
In diesem Artikel erfahren Sie, wie die chemische Desinfektion bei Legionellenbefall funktioniert, welche Mittel in der Regel gegen Legionellen eingesetzt werden und wie die chemische Desinfektion genau abläuft.
Unsere Themen in diesem Artikel:
Legionellen unter dem Mikroskop
Legionellen sind ubiquitär, das heißt, sie kommen nahezu überall in der Umwelt vor – vor allem in natürlichen Süßwasserquellen. In Wassersysteme gelangen sie über das Rohwasser oder durch Biofilme in Rohrleitungen. Problematisch wird es, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind:
Legionellen lieben warmes Wasser. So bieten Wassertemperaturen zwischen 20 und 55 °C sehr gute Bedingungen für Legionellen-Bakterien. Ideal wachsen Legionellen bei Temperaturen im Bereich von 35 °C. Bei über 60 °C sterben sie dagegen langsam ab. Außerdem begünstigt stehendes Wasser die Bildung von Biofilm, der als ideale Lebensgrundlage für Legionellen gilt und darüber hinaus Schutz vor abtötenden Desinfektionsmitteln bietet.
Die mikroskopisch kleinen Bakterien sind in geringer Konzentration normalerweise harmlos. Denn wie so oft in der Mikrobiologie gilt auch hier: Die Dosis macht das Gift. Problematisch wird es, wenn Legionellen günstige Bedingungen vorfinden, sich ungehindert vermehren und kritische Konzentrationen überschreiten. Dann werden sie zu potenziell gefährlichen Krankheitserreger – und das Risiko für den Menschen steigt erheblich. Eine Legionellenkonzentation von über 100 KBE/ml (koloniebildende Einheiten) gilt in vielen Regelwerken als kritisch, ein Wert über 1.000 KBE/ml kann bereits extrem gefährlich sein.
Besonders tückisch: Die Gefahr lauert nicht beim Trinken des Wassers, sondern in der Luft, genauer gesagt: in fein zerstäubtem Wasser – den sogenannten Aerosolen. Diese mikroskopisch kleinen Tröpfchen entstehen überall dort, wo Wasser verwirbelt oder versprüht wird, wie z. B. in Duschen, Whirlpools, Klimaanlagen, Kühltürmen oder Verdunstungskühlanlagen. Wird kontaminiertes Wasser zerstäubt oder versprüht, werden Legionellen mit den Aerosolen eingeatmet – und finden so ihren Weg direkt in die Lunge.
Krank durch Legionellen
In der Lunge angekommen, können Legionellen eine Legionellose auslösen, zu der sowohl das harmlosere Pontiac-Fieber als auch die ernstzunehmende Legionärskrankheit zählen. Die Legionärskrankheit ist eine schwere Infektion der Atemwege, die mit Symptomen wie Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Muskelschmerzen, trockenem Husten und Atembeschwerden einhergeht und sogar zum Tod führen kann.
Laut Robert-Koch-Institut (RKI) werden rund 4 % aller Lungenentzündungen in Deutschland durch Legionellen verursacht. Bei einer Sterblichkeitsrate von bis zu 10 % bedeutet das: jährlich bis zu 3.000 Todesfälle – etwa so viele Menschen, wie jedes Jahr im Straßenverkehr ums Leben kommen.
Schaumbildung im Kühlwasser, entstanden durch Keimtötung bei der Desinfektion zum Beispiel von Legionellen
Wenn thermische Verfahren – etwa das Erhitzen des Wassers auf über 70 °C – zur Legionellenbekämpfung nicht ausreichen oder technisch nicht umsetzbar sind, kommt die chemische Desinfektion zum Einsatz. Sie zählt zu den effektivsten Methoden, um Legionellen in Trinkwasseranlagen gezielt und nachhaltig zu bekämpfen.
Dabei werden meist Desinfektionsmittel wie Chlor, Chlordioxid oder Wasserstoffperoxid eingesetzt. Diese Wirkstoffe greifen Mikroorganismen direkt auf molekularer Ebene an – durch Zerstörung der Zellmembran, Denaturierung von Eiweißen oder durch Blockierung zentraler Stoffwechselprozesse.
Ein zusätzlicher Vorteil: Chemische Desinfektionsverfahren können nicht nur frei im Wasser schwebende Legionellen abtöten, sondern auch den Biofilm angreifen – jene schleimige Schicht an Rohrinnenwänden, die als Lebensraum und Schutzschild für Legionellen dient.
Wirkstoffe zur chemischen Desinfektion
Wirkstoffklasse | Wirkmechanismen | Vorteile | Nachteile |
---|---|---|---|
Oxidierende Desinfektionsmittel | Oxidation von Zellbestandteilen | Schnell wirksam | Korrosiv bei Überdosierung, Reaktion häufig auch mit anderen Wasserinhaltsstoffen |
Nicht-oxidierende Desinfektionsmittel | Enzymhemmung, Zellmembranstörung | Langzeitwirkung, oft biofilmaktiv | Langsamer Wirkungseintritt, langanhaltende Wirkung |
Damit die Desinfektion ihre volle Wirkung entfalten kann, muss das eingesetzte Mittel alle Bereiche der betroffenen Anlage erreichen – von den Hauptleitungen bis hin zu selten genutzten Armaturen.
Chemische Legionellen-Desinfektion nur vom Profi!
Eine unsachgemäße Dosierung oder falsche Anwendung kann nicht nur die Wirksamkeit mindern, sondern auch unerwünschte Nebenprodukte erzeugen oder das Rohrsystem schädigen.
Daher sollte die chemische Desinfektion ausschließlich durch erfahrene Fachleute durchgeführt werden. Hier können Sie gerne Kontakt zu uns aufnehmen, die aqua-Technik Beratungs GmbH erarbeitet die optimale Lösung zur Prävention und Beseitigung von Legionellen-Problemen.
Wirkstoff | Wirkweise | Vorteile | Nachteile |
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Chlor / Brom | Zellmembranzerstörung, Hemmung mikrobieller Prozesse Meist als Natriumhypochlorit, sogenannte Chlorbleichlauge, im Einsatz | Schnelle Wirkung, einfach anwendbar | Korrosionsrisiko bei falscher Dosierung, Wirkungsverlust bei höheren pH-Werten (>8) |
Chlordioxid | Stark oxidierend, tiefes Eindringen in Biofilme, auch bei hohem pH-Wert wirksam | Sehr effektiv gegen Legionellen und Biofilme, geringere Konzentration ausreichend | technisch anspruchsvollere Erzeugung, teurer als Chlorbleichlauge |
Ozon | Sehr starke Oxidation, Zerstörung von Zellwänden, Proteinen und DNA, zerfällt danach zu Sauerstoff | Umweltfreundlich, kaum Nebenprodukte, starke Wirkung | Instabil, technisch aufwendig (muss vor Ort erzeugt werden), materialaggressiv, empfindlich gegenüber Wasserqualität, teuer, teilweise flüchtig |
Wasserstoffperoxid (H2O2) | oxidierend, Ablösen von Biofilmen, Zersetzung in Wasser & Sauerstoff, flüchtig | Umweltfreundlich, gute Biofilmwirkung, AOX-frei | Wirkungsverlust bei hohen pH-Werten, flüchtig, höhere Dosierung und Kontaktzeit erforderlich |
Nicht oxidierende Biozide (Isothiazolinone, QAVs, Bronopol, Glutardialdehyd, DBNPA) | Enzymhemmung, Zellstörung (je nach Substanz) | Langzeitwirkung, gezielte Wirkung bei stabilen Biofilmen | Resistenzrisiko, Stoßdosierung erforderlich, eher zur Legionellenvor-beugung als zur Desinfektion nach Befall geeignet |
Weitere effektive Mittel für die chemische Desinfektion finden Sie auch hier zum kostenlosen Download:
In sehr vielen Fällen, z. B. für Warmwasserleitungen, ist es Chlordioxid. Chlordioxid hat eine schnelle Wirkung und ist sehr effizient gegen mikrobiologische Beläge, sogenannte Biofilme, die häufig Ursache für Legionellen sind. Je nach Anlage und Wassersystem kann Chlordioxid jedoch nicht immer eingesetzt werden.
Beispielhafte, grundsätzliche Vorgehensweise bei einer chemischen Stoßdesinfektion:
- Vorbereitung:
Planungen, inkl. Festlegung des Vorgehens, Einschätzung der Systemgröße und -beschaffenheit. Auswahl des effizientesten Desinfektionsmittels für den jeweiligen Fall - Dosierung:
Einbringen der Chemikalie(n) in das System auf die definierte Zielkonzentration. - Einwirkzeit:
Je nach Mittel beträgt die Kontaktzeit zwischen 1 und 12 Stunden, um Mikroorganismen wirksam abzutöten. - Kontrolle:
Laufende Kontrollen hinsichtlich Reinigungseffekt und Konzentration des Desinfektionsmittels. - Spülung:
Nach Abschluss der Desinfektion wird die Anlage gründlich mit Frischwasser gespült, bis keine Desinfektionsmittelrückstände mehr nachweisbar sind. Dies muss an jeder möglichen Abnahmestelle, z. B. an jedem Wasserhahn eines Gebäudes erfolgen. - Kontrollmessung (optional):
Labortechnische Untersuchung zur Bestätigung, dass keine Legionellen mehr vorhanden sind.
Mehr zu dieser Untersuchung erfahren Sie hier:
Wichtige Bedingungen für eine erfolgreiche Desinfektion
Für eine erfolgreiche chemische Legionellen-Desinfektion ist die genaue Dosierung und Einwirkzeit des eingesetzten Mittels entscheidend. Nur bei korrekter Konzentration und ausreichend langer Kontaktzeit werden Mikroorganismen zuverlässig abgetötet – ohne dabei die Installation zu beschädigen. Gleichzeitig muss die Materialverträglichkeit der eingesetzten Biozide berücksichtigt werden, da bestimmte Wirkstoffe Leitungen, Dichtungen oder Armaturen angreifen können. Eine sorgfältige Auswahl in Abhängigkeit vom Leitungsmaterial ist daher unerlässlich. Hierbei helfen wir Ihnen gerne, nehmen Sie einfach Kontakt zu uns auf.